"Neues aus der Schützenjugend"
Oberfränkin schießt sich an die deutsche Spitze!
Seit sie elf Jahre alt ist, schießt Elena mit einem Luftgewehr.
Foto: Matthias Hoch
19.09.2022 - 15:35 Uhr
Memmelsdorf – Mit elf Jahren wurde Elena Sachs bei einem Schnupperschießen entdeckt. Inzwischen hat die 14-Jährige schon einige Erfolge vorzuweisen.
Der steife Anzug, in dem sie steckt, erinnert an eine Motorradkluft, bietet nur wenig Bewegungsfreiheit. Zentimeter für Zentimeter bewegt sie ihre Füße über den Boden. Sie blickt auf, legt ihre Waffe an und zielt. Doch Munition hat sie nicht im Lauf. Statt abzudrücken, legt sie das Luftgewehr wieder auf den Ständer zurück. Wieder bewegt sie ihre Füße um wenige Zentimeter. Mehrere Male justiert sie nach – solange, bis sie zufrieden ist. Erst dann gibt sie Munition in den Lauf – atmet ruhig, zielt, schießt – und trifft die zehn Meter entfernte Scheibe.
Elf Jahre alt war Elena Sachs, als sie das erste Mal ein Luftgewehr in der Hand hatte. Inzwischen hat die 14-Jährige aus Merkendorf bereits an der Deutschen Meisterschaft teilgenommen und ist Teil des Bayernkaders. Ihr Talent überraschte alle, genauso wie ihre rasante Entwicklung in nur drei Jahren.
Ein Naturtalent am Luftgewehr
„Mein Ziel ist der Nationalkader“, sagt Elena bestimmt. Der Ehrgeiz der Schülerin ist deutlich zu spüren, wenn sie konzentriert eine Patrone nach der anderen auf einen kleinen schwarzen Fleck in zehn Metern Entfernung schießt. Und treffsicher ist sie, das zeigen die Ergebnisse.
Der steife Anzug, der an eine Motoradkluft erinnert, sorgt für Stabilität beim Schießen.
Foto: Matthias Hoch
„Elena ist uns gleich ins Auge gestochen“, sagt Dominik Högler von den Sportschützen 1970 Merkendorf. Er und andere Vereinskameraden haben 2019 beim Ferienprogramm im Ort Schnupperschießen angeboten, um Nachwuchs für den Sport zu gewinnen. Jemanden mit Elenas Naturtalent sehe man jedoch eher selten, meint er.
Eigentlich ist das Schießen mit dem Luftgewehr erst im Alter von zwölf Jahren erlaubt. Doch statt noch ein Jahr zu warten, beantragte die Familie eine Ausnahmegenehmigung beim Landratsamt. „So ein Talent muss schnellstmöglich gefördert werden“, bekräftigt Högler, der beim Schützengau Oberfranken West auch für die Jugendabteilung mitverantwortlich ist.
Für Elenas Eltern kam das neue Hobby ihrer Tochter unerwartet. Keiner in der Familie hatte vorher Berührungspunkte mit dem Schießsport. „Keiner von uns schießt. Weder meine Eltern noch die Schwiegereltern“, erzählt Vater Bernhard Sachs. „Aber wenn es ihr gefällt, warum nicht. Wenn sie etwas macht, dann ist sie zielstrebig.“
Das hat Elena bereits in einer anderen Sportart gezeigt. Seit zehn Jahren trainiert sie die Kampfkunst Kung-Fu und hat erst kürzlich ihren schwarzen Gürtel gemacht.
6. Platz bei der deutschen Meisterschaft
Am Schießen reizt sie besonders „das Runterkommen im Stand und die Körperspannung, die man braucht – und die Wettkämpfe“, sagt sie. Inzwischen feierte die 14-Jährige bereits einige Erfolge. Seit Anfang des Jahres ist Teil des Bayernkaders – als einzige Schützin aus Unter- und Oberfranken. Bei der Schülersichtung in Hochbrück am 30. Januar erreichte die den 7. Platz und nimmt nun an Wettkämpfen in der Jugendverbandsrunde teil. Erst Anfang September hat sie bei der Deutschen Meisterschaft im Sportschießen den 6. Platz in ihrer Altersklasse belegt (Luftgewehr 3-Stellung) und 90 Teilnehmerinnen hinter sich gelassen.
Schon bald fängt Elena an, auch am Kleinkaliber zu trainieren.
Foto: Matthias Hoch
„Als Eltern fiebern wir immer mit“, sagt Vater Bernhard und ärgert sich auch, wenn eine bessere Platzierung knapp verpasst wurde. So wie bei der Deutschen Meisterschaft. „Das Schlimmste für einen Schützen ist eine 9,9. Da fehlt nicht einmal ein Millimeter auf den 10er, der einen Punkt mehr bringt. Bei der DM hatte Elena vier Mal eine 9,9. Sonst wäre sie Dritte statt Sechste geworden“, erläutert Bernhard Sachs.
Elena nimmt solche Rechenspiele gelassen. Sie freut sich, dass sie überhaupt wieder an Wettkämpfen teilnehmen kann.
Corona dämpft die Euphorie
Nur wenige Monate nach ihrem Trainingsstart 2019 kam der erste Corona-Lockdown. Das Vereinsleben war lahmgelegt. „Ich fand es echt schade, weil die Trainingsmöglichkeit weg war und ich auf Wettkämpfe wollte“, sagt Elena.
Liegend schießt die 13-Jährige am liebsten.
Foto: Matthias Hoch
Ein bis zwei Mal die Woche trainiert Elena aktuell am Schießstand. Im Moment bei ihrem Zweitverein in Strullendorf, denn der Schießstand in Merkendorf wird gerade neu gebaut. „Meistens trainiere ich so eineinhalb bis zwei Stunden“, sagt sie. Dazu kommt das monatliche Bayernkader-Training in München.
Finanziert wird ihr Hobby zum Großteil von der Familie. Der Neupreis für ein Luftgewehr liegt bei etwa 3000 Euro. Gebraucht bekommt man es für die Hälfte. Doch andere Ausrüstungsteile, wie den Anzug, können die jungen Schützinnen und Schützen ausleihen – so wie zum Beispiel bei Schnuppertrainings. Doch darüber ist Elena längst hinaus. Sie will ihr Repertoire erweitern. Schon bald kommt zum Luftgewehr das Kleinkaliber hinzu. Die neue Waffenklasse öffnet ihr für den Bayernkader und für künftige Wettkämpfe mehr Möglichkeiten – und noch mehr Chancen auf Spitzenplatzierungen.
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